Im Landkreis Karlsruhe wächst die Sorge um die Stabilität des öffentlichen Nahverkehrs. Fehlende Landesmittel, steigende Ticketpreise und offene Zuständigkeitsfragen setzen den Kreishaushalt stark unter Druck – der Kreistag setzt nun deutliche Signale nach Stuttgart und Berlin.
Karlsruhe/Linkenheim-Hochstetten. Die Zukunft des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) im Landkreis Karlsruhe steht zunehmend auf der Kippe. Grund dafür sind ausbleibende finanzielle Zusagen von Land und Bund sowie steigende Kosten im Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Der Kreistag fasste hierzu am Donnerstag, 20. November 2025, im Bürgerhaus Linkenheim-Hochstetten mehrere richtungsweisende Beschlüsse.
Im Mittelpunkt standen die weiteren Entwicklungen rund um das Deutschlandticket, die geplante Erweiterung des Karlsruher Verkehrsverbunds (KVV) und die Klärung der SPNV-Zuständigkeiten zwischen Landkreis und Land Baden-Württemberg.
Deutschlandticket: Finanzierung bleibt unklar
Landrat Dr. Christoph Schnaudigel machte deutlich, dass der Landkreis weiterhin einen leistungsfähigen und bezahlbaren Nahverkehr anbieten wolle, jedoch an klare Grenzen stoße:
„Die Haushaltslage der Kommunen lässt keinerlei Spielraum, wenn bestellte Leistungen nicht bezahlt werden.“
Ab 2026 steigen die Preise für das Deutschlandticket auf 63 Euro, das Jugendticket BW auf 45 Euro. Trotz der bis 2030 zugesagten jährlichen Bundes- und Landesmittel von jeweils 1,5 Milliarden Euro verbleibt 2026 ein deutschlandweites Defizit von rund 800 Millionen Euro. Der Kreistag fordert daher erneut einen verbindlichen Tarifanwendungsbefehl, der das Land verpflichtet, alle finanziellen Nachteile vollständig auszugleichen.
Für 2025 hat das Verkehrsministerium zugesagt, mögliche Mindereinnahmen zu erstatten – für 2026 fehlt diese Sicherheit weiterhin.
KVV-Erweiterung: Einheitliche Tarife für eine vernetzte Region
Der Kreistag erteilte Landrat Schnaudigel die Ermächtigung, Vereinbarungen für einen neuen Verkehrsverbund zwischen KVV, Enzkreis und Stadt Pforzheim zu unterzeichnen. Damit wird der KVV-Tarif künftig auch dort gelten.
Für die Fahrgäste bedeutet das ein einheitliches Tarif- und Verkehrssystem in einer ohnehin eng verbundenen Region. Gleichzeitig können Kosten gesenkt und Synergien gestärkt werden.
SPNV-Streit: Landkreis sieht Land in der Pflicht
Ein Kernthema blieb die finanzielle Verantwortung im Schienenpersonennahverkehr. Der Kreistag beschloss, Änderungen an Verkehrsverträgen künftig nur noch zu akzeptieren, wenn das Land eine vollständige Kostenübernahme garantiert.
Zudem soll eine Feststellungsklage geprüft werden, um die Zuständigkeit des Landes für bestimmte SPNV-Leistungen – insbesondere auf den Linien S1/S11/S12 sowie S31/S32 – rechtlich zu klären. Eine Übernahme dieser Leistungen durch das Land würde den Landkreis jährlich um rund 13,4 Millionen Euro entlasten.
Besonders kritisch bewertet der Kreistag, dass das Land seine Zusagen zur Finanzierung des sogenannten Landesstandards ab 2025 deutlich reduziert habe. Landrat Schnaudigel fordert deshalb eine „Beendigung der Benachteiligung des Landkreises Karlsruhe“.
AVG-Altprojekte: Abschluss nach jahrzehntelanger Prüfung
Abschließend billigte der Kreistag die Anerkennung offener Forderungen der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) aus den 1990er-Jahren in Höhe von rund 1,1 Millionen Euro – jedoch mit einem Abschlag von 15 Prozent. Die Auszahlung soll innerhalb der nächsten fünf Jahre erfolgen.
Damit können langjährige Abrechnungsverfahren zu historischen Infrastrukturprojekten, etwa auf den Strecken Karlsruhe–Bretten–Eppingen, Karlsruhe–Pforzheim und Bruchsal–Menzingen/Odenheim, endgültig abgeschlossen werden.
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ÖPNV-Finanzierung im Landkreis Karlsruhe – Häufige Fragen
1. Warum steht der ÖPNV im Landkreis Karlsruhe finanziell unter Druck?
Weil Zusagen von Land und Bund zur Finanzierung des Deutschlandtickets und bestimmter SPNV-Leistungen unklar oder gekürzt sind. Das führt zu wachsenden Defiziten.
2. Was fordert der Kreistag konkret vom Land Baden-Württemberg?
Er erwartet eine vollständige Kostenübernahme für SPNV-Leistungen sowie einen Tarifanwendungsbefehl, um finanzielle Nachteile auszugleichen.
3. Was bringt die geplante KVV-Erweiterung?
Ein einheitliches Tarifsystem für den KVV, den Enzkreis und Pforzheim – mit besseren Verknüpfungen und möglichen Kosteneinsparungen.
4. Warum droht eine Feststellungsklage?
Weil bestimmte SPNV-Strecken nach Auffassung des Landkreises eindeutig in die Verantwortung des Landes fallen und bisher zu Lasten des Kreishaushalts finanziert werden.
5. Was hat es mit den AVG-Altprojekten auf sich?
Sie stammen aus den 1990er-Jahren und wurden nach Prüfungen durch Land und externe Gutachter als berechtigte Forderungen anerkannt. Der Kreistag stimmt einer Zahlung unter Bedingungen zu.

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