Turnplatz Pforzheim: Vom Turnverein zum historischen Marktplatz

Der Turnplatz in Pforzheim steht für über 150 Jahre Stadtgeschichte – von sportlichem Aufbruch über architektonische Meisterwerke bis zur Zerstörung im Krieg und dem Wiederaufbau. Ein Ort, der Vergangenheit und Gegenwart vereint.

Pforzheim – Im Herzen Pforzheims gelegen, erzählt der Turnplatz eine vielschichtige Geschichte. Einst Ort sportlicher Bewegung und gesellschaftlicher Begegnung, wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Symbol für den Wiederaufbau der Stadt.

Die Wurzeln des Turnplatzes reichen bis ins Jahr 1863 zurück. Am 13. September wurde der Platz zusammen mit der ersten Turnhalle des Turnvereins Pforzheim von 1834 feierlich eingeweiht – dem ältesten Turnverein Badens. In einer Zeit, in der größere Säle fehlten, diente die Turnhalle auch als Veranstaltungsort. 1926 wurde der Wochenmarkt vom Marktplatz hierher verlegt – eine Nutzung, die sich nach dem Krieg verstärken sollte.

In unmittelbarer Umgebung des Turnplatzes befanden sich herausragende Bauwerke der Jahrhundertwende: Das Reuchlin-Gymnasium, ein prachtvoller Bau im Neorenaissancestil, entstand 1905 nach Plänen von Heinrich Henz. Es beeindruckte durch Wandmalereien, Reliefs und Farbverglasungen. 1911 folgte die Oberrealschule, heute Hebel-Gymnasium, mit ihrem markanten Eckturm.

Ein weiteres Wahrzeichen war die Goethebrücke, die 1904 eröffnet wurde. Der renommierte Jugendstilarchitekt Hermann Billing entwarf die kunstvollen Geländer und Kandelaber. Zwei Löwen und zwei Greifen, gestaltet vom Bildhauer Fritz Wolber, bewachten die Brückenzufahrten.

Doch der Krieg setzte dem Glanz ein jähes Ende: Im Zuge der Luftangriffe 1944/45 und durch gezielte Sprengungen der Wehrmacht im April 1945 wurden 17 Brücken und Stege in Pforzheim zerstört – darunter auch die Goethebrücke, das Reuchlin-Gymnasium und die Turnhalle.

Bereits 1946 fand auf dem Turnplatz der erste Wochenmarkt der Nachkriegszeit statt. Im Hintergrund ragten noch die Ruinen der zerstörten Wilhelmshöhe empor – ein Mahnmal der Zerstörung, aber auch des Neubeginns.

Der Turnplatz wandelte sich: In den Folgejahren entstanden neue Bauten, die das Viertel prägten. Dazu zählt das 1953 errichtete Gebäude der Schmuckmanufaktur Wellendorff, das ab 1969 vom renommierten Familienunternehmen übernommen wurde. Ebenfalls bedeutend ist das 1895 gebaute Fabrikgebäude der Firma Rau mit seiner kunstvollen Sichtziegelfassade. Heute ist das Unternehmen international in der Medizintechnik aktiv.

Ein besonderes technisches Denkmal stellt der Emiliensteg dar. Errichtet 1863 und 1904 verlegt, ist er ein frühes Beispiel einer Gitterträgerbrücke und überstand als einzige innerstädtische Flussbrücke den Krieg.

Heute steht der Turnplatz nicht nur für Markttreiben, sondern als Spiegelbild der Stadtentwicklung Pforzheims – von industrieller Blüte über Kriegszerstörung bis zum kulturellen Wiederaufbau. Er verbindet Vergangenheit mit Gegenwart und bleibt ein zentraler Ort im kollektiven Gedächtnis der Stadt.

 

 

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